Warum Tiere nicht sprechen können und wie wir Menschen Sprachen lernen

Es gibt einige Dinge, die uns Menschen einzigartig machen, dazu zählt die Fähigkeit, über uns selbst nachdenken zu können, also ein Bewusstsein unserer selbst zu haben. Psychologen sprechen von dem so genannten „Selbstkonzept“. Es befähigt uns zu Empathie und macht uns zu den sozialen Wesen, die wir sind.

Eine weitere Besonderheit des Menschen ist seine Sprache. Tiere können nicht sprechen. Denn Sprache ist definiert als die Fähigkeit, Gedanken durch eine komplexe Abfolge von Zeichen oder Signalen mitzuteilen. Die genutzten Zeichen werden dabei nach einer bestimmten Art und Weise miteinander kombiniert. Jede Sprache hat ihre Grammatik und ihre Syntax, basiert also auf Regelhaftigkeiten. Das Bellen des Hundes kann hingegen nur ein Signal sein, und z.B. das Kaninchen verscheuchen. Es ist aber kein Teil einer Sprache. Ein Signal ist ein Zeichen mit einer bestimmten Bedeutung. Viele Tiere arbeiten mit Signalen.

Ein Signal ist ein Hinweis, der ausgesendet wird ohne ein bestimmtes kommunikatives Ziel. Wenn Tiere Warnfarben tragen, dann ist das ein eindeutiges Signal, ihnen nicht zu nahe zu kommen. Frösche oder Schlangen signalisieren durch auffällige Farbmuster, dass sie giftig sind. Im Unterschied zum Signal steht die Kommunikation. Bei der Kommunikation steht der Austausch zwischen zwei oder mehreren Parteien im Vordergrund. Wenn Ihr Hund Sie anbellt, um Ihnen klarzumachen, dass er gestreichelt werden will oder Hunger hat, dann verstehen Sie ihn vermutlich recht gut. Das Bellen ist also durchaus ein Mittel der Kommunikation. Sprache aber ist es nicht. Ein Signal muss keinen intendierten Beeinflussungsversuch beinhalten: ein Signal ist lediglich informativ. Kommunikation im Unterschied zum Signal setzt eine Intention voraus, anderen etwas mitzuteilen. Tiere können miteinander kommunizieren (z.B. Hunde bellen), aber nicht miteinander sprechen. Sprache geht über die einfache Kommunikation hinaus, indem sie ein symbolisches System besitzt und zudem Regeln, eine Syntax, nach dessen diese Symbole kombiniert werden und damit neue Bedeutung erlangen können.

Sprache in diesem Sinn kann über Buchstaben oder Gebärden erfolgen. Es gibt übrigens über 100 Gebärdensprachen wie z.B. die deutsche Gebärdensprache oder die American Sign Language. Warum es generell so viele Sprachen gibt, ist gar nicht so einfach zu erklären. Schätzungen zufolge (je nachdem wie man Dialekte bewertet) gibt es heutzutage etwa 7000 Sprachen. Aktuell kommt es allerdings zu einer Reduktion (ca. jede Woche eine Sprache). Denn besonders Dialekte werden immer weniger gesprochen. Unsere Sprache ist nicht starr, sondern entwickelt sich weiter, regional und über die Zeit hinweg. Einige Linguisten gehen trotzdem davon aus, dass es eine Art „Universalgrammatik“ geben muss, also eine Art innere Logik, die alle Sprachen miteinander verbindet, die alle Sprachen gemeinsam haben. Ihr grundlegendes Argument hierfür ist die Beobachtung, wie intuitiv und spielerisch Kinder ihre Muttersprache lernen. Dieses implizite, also beiläufig erfolgende Lernen, unterscheidet sich von dem späteren „Pauken“ grammatikalischer Regeln und von Vokabeln, wie wir es bei Fremdsprachen tun: Offenbar ist uns das spielerische Erlernen der ersten Sprache in die Wiege gelegt. Schon Neugeborene zeigen eine Präferenz für die Muttersprache. Das ständige Hören der Sprache von - oder eigentlich schon vor - der Geburt an, scheint den Grundstein für das spätere leichte Lernen zu legen. Offenbar steht uns dabei ein Zeitfenster von etwa zwei Jahren zur Verfügung. Kinder, die im Alter von zwei Jahren noch nicht sprechen gelernt habe, holen diesen Rückstand zeitlebens nicht mehr auf, wie spektakuläre Fälle zeigen.

Das Mädchen „Genie“ war seit seinem zwanzigsten Monat gefesselt und isoliert in einer Kammer gefangen gehalten worden. Sie wuchs in den 70er Jahren ohne sprachlichen Kontakt auf und wurde für Lautäußerungen betraft. Mit 14 Jahren wurde Genie befreit, sie verstand keine Sprache, lernte nur sehr langsam und konnte letztlich nur einfache kurze Sätze formulieren.

Ganz anders verhielt es sich bei Helen Keller, die in den USA hohe Bekanntheit erlangte aufgrund ihrer herausragenden Leistungen. Helen Keller erkrankte mit 19 Monaten an Meningitis und wurde in Folge blind und taub. Auch Hellen Keller war anfangs sprachlos, entwickelte mit sieben Jahren aber eine eigene Zeichensprache und letztlich ein sehr differenziertes Sprachverständnis.

Sprache basiert auf universellen Strukturen und findet sich in allen menschlichen Kulturen wieder.

Der Spracherwerb in Bezug auf die Muttersprache erfolgt bei gesunden Kindern spontan innerhalb der ersten beiden Lebensjahre. Das verdanken wir unserer kognitiven Entwicklung. Man geht davon aus, dass sehr schlaue Tiere wie Schimpansen dem geistigen Stand eines Zweijährigen entsprechen. Wenn Sprache eine Syntax besitzt, könnte man solchen Tieren diese nicht einfach beibringen? Tatsächlich hat man es versucht. Mit großem Einsatz haben Wissenschaftler probiert, Affen „Yerkisch“ beizubringen. Dabei handelt es sich um eine Kunstsprache aus Symbolen, die sich miteinander zu einfachen Sätzen kombinieren lassen. Das Fazit: die Affen verstanden diese rudimentäre Grammatik, ihr „Sprechen“ blieb aber auf wenige Anwendungsbeispiele und sehr einfache Aussagen beschränkt.

Die Forscher danach haben untersucht, ob das vielleicht gar nicht an mangelnder Intelligenz der Tiere liegt, sondern an anatomischen Voraussetzungen des Sprechens. Denn bei uns Menschen hat sich im Laufe der Evolution durch den aufrechten Gang der Kehlkopf abgesenkt, was ein sehr wichtiges Merkmal des Sprechvermögens ist. Daher nahmen Wissenschaftler Gipsabdrücke der Gesichter von Affen und machten Röntgenaufnahmen. Sie untersuchten die Möglichkeiten der Tiere zu Mimik und Mundbewegung sehr genau und speisten diese Daten letztlich in ein Computermodell. Und tatsächlich: das Modell erzeugte Laute, die Sprache erinnerten, konnte also z.B. fragen: „Will yoou marry me?“. Dementsprechend war klar, dass Tieren die kognitiven Voraussetzungen fehlen, sprechen zu lernen. Es liegt nicht an der Anatomie. Verantwortlich für die Fähigkeit des Sprechens sind offenbar zwei Genmutationen bei uns Menschen: Offensichtlich erfolgte die Entwicklung der Sprache durch zwei spezifische Mutationen von Gen FoxP2. Diese Mutationen fanden nach der Trennung von Mensch und Schimpanse (vor sieben bis fünf Millionen Jahren) statt. Somit verfügte auch der Neandertaler über das Potenzial zur Sprache.

Die genannten Mutationen bewirkten eine Vergrößerung des Broca-Areals. Bei den meisten Menschen befindet sich der Hauptsitz der Sprachverarbeitung in der linken Hemisphäre. Dort befinden sich das Broca- und das Wernicke-Areal. Beim Sprechen überträgt sich die Aktivierung vom Wernicke-Areal ins Broca-Areal. Im Wernicke-Areal wird gehörte und gelesene Sprache verarbeitet, und im Broca-Areal wird das Sprechen und Schreiben initiiert. Personen mit Schädigungen des Broca-Areals (so genannte „Broca-Aphasie“) können Sprache weiterhin zwar gut verstehen, tun sich aber extrem schwer, die richtigen Worte zu finden. Oft sprechen sie in kurzen, abgehackten Sätzen. Unserem Broca-Areal verdanken wir also, dass wir Sprechen können. Die beiden Sprachzentren Wernicke und Broca sind die Schlüssel zur Sprache. Sprache ist ohne sie nicht möglich.

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